Saturday, May 9, 2009
Deutsche Sprache, schwere Sprache
Ich habe mir gestern mit dem Erwerb einer kleinen Schreibmaschnie (so habe ich ihn tatsächlich genannt, meinen neuen Kleinrechner - andere nennen es auch netbook) ein Stück Freiheit zurückgekauft. Ganz bewusst habe ich entschieden, dass auf ihr – der Schreibmaschine - das Mailprogramm nicht eingerichtet wird und dass bis auf ein paar angelegten Bookmarks zu den mir wirklich wichtigen Seiten keine RSS Feeds abonniert werden. So dient das Gerät ausschließlich dem schriftlichen Festhalten geistiger Ergüsse, sprich, dem Verfassen von Texten, die sich vielfältig nutzbar machen lassen. Sei es zum Broterwerb oder zur reinen Unterhaltung. So saß ich also heute morgen in meinem Bett, freute mich ein wenig über den bewölkten Himmel, der es mir ermöglichte, in einer meiner in Italien erworbenen Zeitschriften zu blättern – sonst scheint mir ab einer gewissen Uhrzeit sehr penetrant die Sonne ins Gesicht und zwingt mich praktisch zu einer für die meisten Menschen gewöhnlichen Uhrzeit das Bett zu verlassen.
Ich blätterte also in der Vogue L'Uomo, einer Zeitschrift, für sie es sich lohnt, die italienische Sprache zu beherrschen, das ich übrigens nicht tue, ich blättere ja nur, und erinnerte mich bei diesem Gedanken an die Nützlichkeit des Beherrschens der italienischen Sprache an eine Chanel Werbung (jedenfalls etwas, das so aussah), über die ich auf einem meiner Internet-Streifzüge kürzlich stolperte. Darauf ist ein in der Zusammensetzung herkömmliches Mc Donalds Menü zu sehen, bestehend aus einem Burger, einer Portion Pommes und einem Kaltgetränk, verpackt in den üblichen Pappschachteln, die hier nun aber statt mit dem Mc Donalds Firmenemblem mit dem des Modehauses Chanel verziert sind. Darunter steht der folgende – Karl Lagerfeld zugesprochene – Satz: „Fashion is the healthies motivation for loosing weight“ - und ich finde – so wie ich da heute morgen in meinem Bett saß - dass das nicht nur auf Diäten, sondern auch auf sämtliche andere Aspekte des täglichen Lebens zutrifft. Greifbarstes Beispiel, das Erlenen von Sprachen. So könnte ich nämlich, würde ich sowohl Italienisch, Französisch, Spanisch, Japanisch, usw. beherrschen, auch die Berge an Zeitschriften, die sich in meiner Wohnung türmen, lesen, und müsste nicht nur an wolkenverhangenen Vormittagen in ihnen blättern. Besonders die Vogue L'Uomo wäre eine Zeitschrift, für die es sich lohnen würde, die alten Italienischkenntnisse wieder aufzufrischen. Mein kürzlicher dreitägiger Trip nach Mailand reichte nicht aus und ob der geplante Besuch der venezianischen Biennale im September dieses Jahres in diesem Bereich von Nutzen sein wird ist auch höchst fraglich. Es sieht also ganz danach aus, als würde ich weiterhin blättern, Bilder ansehen und Überschriften lesen – die seltsamerweise meist in Englisch verfasst sind – im Gegensatz zum restlichen Text. Findet auch in der italienischen Sprache eine Verenglischung statt, wie wir sie seit Jahren im Deutschen erleben dürfen? Ein Thema, über das man einmal mit einem Wissenschaftler der italienischen Sprache sprechen könnte oder auch einfach einem sprachbegeisterten Italiener.
Worauf ich eigentlich hinausmöchte ist die Tatsache, dass ich die Vogue L'Uomo sehr gerne mag, weil es so scheinbar gar nicht um Mode geht, wenn man Mode nur als Möglichkeit der Körperverhüllung betrachtet. Die mir vorliegende Aprilausgabe z.B. widmet sich den „visionären Menschen“, ihren Träumen, Projekten, Erfindungen. Auf dem Cover prangt das Konterfei der israelischen Starachitektin Zaha Hadid, festgehalten vom Starfotografen Bruce Weber. Blättert man einmal in das Heft hinein, findet man viel Design, Architektur, ein wenig Musik, Portraits solch visionärer Menschen wie eben Zaha Hadid, Piet Oudolf, Marc Newson, Jonathan Ive, Renzo Piano, Adrian van Hooydonk und anderen. Um Mode an sich geht es kaum, sondern vielmehr um all das, was sich locker um sie herum ansiedelt und gerne mit „Style“ bezeichnet wird. Vermittelt wird also ein gehobener Lifestyle, den ich gerne mit dem englischen Wort „sophisticated“ beschreibe, für das ich keine passende deutsche Übersetzung kenne. Nun könnte ich einfach in einen deutschen Zeitschriftenladen gehen und ein entsprechendes Magazin Magazin in einer mir vertrauten Sprache erwerben, aber nein... Nein zu „nein geht nicht“ und Nein zu „ich werde mich nicht erneut darüber aufregen, dass es nicht geht“ das Erwerben einer vergleichbaren Zeitschrift, aus Ermangelung an Möglichkeiten.
So gehört wohl neben der „Fantastic Man“ in englischer Sprache nun die „Vogue L'Uomo“ in italienischer Sprache zu den von mir am meisten geachteten Modemagazinen. Ganz am Rande sei bemerkt, dass sich beide auch vornehmlich an ein männliches Publikum richten. Was auch ein schönes, genauer zu untersuchendes Thema für einen Blogbeitrag wäre, zu dem mir schon länger die irrwitzigsten Theorien einfallen. Erst kürzlich warf ich in einer netten Diskussionsrunde die kühne These in den Raum, dass der Grund, warum z.B. Julia viel besser in der Lage ist, ihre Mode auf Englisch zu beschreiben daran liegen könnte, dass der deutschen Sprache einfach die Worte fehlen, um Mode adäquat beschreiben zu können. Ähnlich wie bei den Eskimos und dem Schnee, für den sie zig Bezeichnungen parat haben, wohingegen wir hier unten, nur ab und an vom weißen Nass geplagten dafür nur platt den Namen „Schnee“ kennen (oder vielleicht noch Dreck, Matsch, und weitere unkreative Bezeichnungen). In der Linguistik gibt es dazu sogar eine anerkannte Theorie, die besagt, dass es eine Relation gibt zwischen den grammatikalischen Kategorien der Sprache einer Person und dem wie diese Person die Welt um sie herum versteht und sich in ihr bewegt. Zusammengefasst könnte man sagen, dass ein Mensch nur so differenziert sein kann, wie es ihm seine Sprache ermöglicht. Klingt einleuchtend, lässt die Mode in Deutschland aber alt aussehen. Möglicherweise liegt es auch daran, dass all jene prinzipiell vorhandenen, geeigneten Worte zur Beschreibung der Moden derart lächerlich aufgeladen sind, dass sich kein ernszunehmender Text verfassen lässt, einer, dem „das gewisse Etwas“, die „Tragbarkeit“ oder ... fehlt und dabei meine ich tatsächlich die Worte an sich. Vielleicht kann man nur über Mode schreiben, wenn man ihr sich nicht auf phänomenologischer Ebene nähert!? Vielleicht lassen sich manche Dinge nicht an sich beschreiben (andere aber wieder ganz wundernbar – so beschrieb ich kürzlich einen Schuh des Britischen Designers Nicholas Kirkwood für die kommende Ausgabe des Qvest Magazins). So dass am Ende ein Männermodemagazin steht, in dem es nicht um Männermode geht. Wie wunderbar! Fortsetzung folgt...
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